Sag mir, wo die Bienen sind…
Weltweit sind bis heute rund 40 % aller Insektenarten ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Wir sehen selbst, wie Mücken, Bienen, Falter und Käfer über Jahre hinweg weniger werden. Dafür genügt eine Autofahrt übers Land: Während früher schnell zig Insekten an der Windschutzscheibe klebten, bleibt die Sicht heute über lange Strecken klar.
Artenvielfalt und ich: Was gehen uns Insekten an?
Stechmücken saugen einen aus, Wespen machen sich über Fleisch und Süßwaren her und Ameisen will wirklich niemand in der Speisekammer haben – oft sind Insekten wirklich lästig. Nur Bienen haben einen guten Ruf als Lieferantinnen für leckeren Honig. Sie sind auch fast die einzigen Insekten, die der Mensch domestiziert und zu Nutztieren weitergezüchtet hat.
Doch egal ob Wild- oder Honigbienen: Ihre Aufgaben sind viel größer. Bienen und weitere Insektenarten leisten einen unersetzbaren Dienst an der Natur. Und sie sichern unsere Ernährung – direkt als Pflanzenbestäuber und auch indirekt als Teil der Nahrungskette. Den Leistungen von Bienen, ihre Schwarmintelligent wie auch erstaunliche Erkenntnisse über andere Insekten nähert sich die 3Sat-Wissenschaftsdoku „Smarte Insekten – wie winzige Gehirne Geniales leisten“. Ihre im wahresten Sinne facettenreichen Nahaufnahmen sind sehenswert
> Was Du über die Gliedertiere schon immer (nicht) wusstest, erfährst Du auch in unserem
Insekten-Quiz!

Das Ende der Insekten? | Maria Furtwängler auf Spurensuche © Doclights GmbH Florian Leo
„Wir erleben gerade ein bedrohliches Insektensterben, das sich auf unser gesamtes Ökosystem, unser ganzes Leben auswirken wird. Bienen zum Beispiel gehören zu den wichtigsten Bestäubern, sie leisten für uns kostenlose Schwerstarbeit. Die Natur ist ein Teil von uns, wir stehen nicht über ihr. Ich würde mir wünschen, dass diese Haltung mehr in der Politik ankommt.“
Maria Furtwängler, Schauspielerin, Produzentin und Mitbegründerin der MaLisa Stiftung
In der TV-Doku
„Das Ende der Insekten“ ist die Schauspielerin und Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler mal nicht auf Verbrecherjagd, sondern begibt sich auf Spurensuche nach Brummern, Bestäuberinnen und Krabbeltieren – mit einer kurzweiligen Reihe an Zeugenbefragungen in ganz Deutschland.
Dr. Wulf und Dorothea Gatter etwa sind Flug-Zähler. In einer Forschungsstation am Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb erfassen sie die saisonale Wanderung von Vögeln und Insekten. Insekten werden dabei mit einer Art Luft-Reuse in Beuteln gesammelt. So ermitteln die beiden Zähl-Zeugen den Verkehr der Wanderinsekten in einem definierten Ausschnitt ihres Luftraums.
Ihre Ergebnisse sind beängstigend: Anfang der 70er Jahre zählten sie in der Wanderzeit bis zu 10.000 Exemplare an Schlupfwespen, Schwebfliegen und ähnlicher Insekten pro Stunde. Mittlerweile sind die Zahlen um rund 94 Prozent gesunken. Statt 10.000 sammeln sie heute um 600 dieser Insekten.
Und nun? „Viele Vögel, die diese Insekten fressen, sind in ihren Beständen stark zurückgegangen sind“, berichtet Dr. Wulf und ergänzt: „Unter den Körnerfressern sind die Bestände nicht so stark geschrumpft“. Die Insekten sind die Nahrungsgrundlage vieler Tiere: „Sie sind damit auch die Grundlage unserer Existenz“. Zudem betätigen sich die meisten Insekten etwa auch als Bestäuber für alles, was blüht. Fazit: Ohne diese Lebewesen geht es uns schlecht.
Laut Maria Furtwängler trägt die Bestäubung „zu rund einem Drittel unserer Nahrungsproduktion bei“. Insekten sind obendrein Tatortreiniger: Sie räumen auf, zersetzen den Boden, helfen bei der Bildung von Kompost – und Vieles mehr. Ameisen schließlich gelten als Gesundheitspolizei des Waldes. Ihre Aufgaben sind so vielfältig wie die millionenfache Artenvielfalt der Insekten.
> Mehr zu Maria Furtwängler und ihrem Einsatz für die Insekten könnt ihr im
Interview mit Johanna Langhof von der MaLisa Stiftung lesen.
Was nutzt und was schadet den Insekten?
Der größte Feind der Insekten ist der Mensch: Er bringt Pestizide und andere Schadstoffe aus, mit denen die Landwirtschaft eigentlich die Ernte schützen möchte. Wenn Insekten beim Schutz der Früchte drauf gehen, dann fehlen sie über kurz oder lang bei der Bestäubung der Blüten. Sinkt diese Bestäubung, dann leidet auch die Ernte – ein Teufelskreis. Monokulturen etwa werden im Durchschnitt 30 Mal gespritzt, erzählt Maria Furtwängler. Apfelplantagen sind auf einige wenige Sorten spezialisiert: Haltbare, große und schöne Äpfel, die im Supermarkt gut ankommen.
Obstbauer Eckart Brandt in Niedersachsen dagegen hegt und pflegt alte, naturfreundliche Apfelsorten und bewirtschaftet Streuobstwiesen. In denen stehen die Obstbäume nicht allein. Die Reihen sind durchzogen von Hecken, Sträuchern und Blühgräsern. Damit bietet der Obstbauer auch seinen wichtigsten Helfern ein artgerechtes Menü. „Hier darf vieles wachsen, was über die gesamte Sommersaison blüht“ erzählt er. Mit zig Strauch- und Baumsorten erweitert Eckart Brandt das „Blühfenster“, so dass Bienen und andere Insekten nicht nur zur Obstblüte, sondern vom Vorfrühling bis spät in den Sommer genug zu futtern haben.
Doch das ist eine Ausnahme. Die Landschaft ist ringsum geprägt von Mais-Monokulturen und steril wirkenden Obstplantagen, in denen man mit Pflanzenschutzmitteln, so genannten Herbiziden dafür sorgt, dass wirklich nur die gewünschten Produkte wachsen. Einer der größten Pestizidproduzent ist der Bayer-Konzern. Bayer produziert auch das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Es gibt Studien, die zeigen, dass Glyphosat Insekten zwar nicht tötet, ihnen aber teils lebensgefährlich schaden kann. Der Hersteller dagegen betont, dass die Wirkung des Mittels auf die Organismen von Insekten wie auch auf Menschen nicht oder zumindest viel weniger schadet als andere Pflanzenschutzmittel.
Doch allein Monokulturen sorgen dafür, dass Landschaften an Pflanzenvielfalt verlieren. Es ist damit fast egal, ob das Spritzen von Pflanzenschutzmitteln den Insekten direkt schadet oder durch Chemie geförderte Monokulturen ihnen die Nahrungsgrundlage nimmt: Industrielle Landwirtschaft und das Insektensterben hängen zusammen.
Für uns selbstverständlich, für viele Tiere schädlich
Auch ein für uns Meschen selbstverständliches Hilfsmittel bedroht Insekten und andere Lebewesen: Licht. Ohne ausreichende Straßenbeleuchtung fühlen wir uns nachts unsicher. Und ist keine Leselampe in der Nähe, fällt die Bettlektüre aus. In der Natur beeinflusst eine nächtliche, strahlend helle Beleuchtung aber die Lebensräume und das Verhalten vieler Tierarten – besonders Insekten. Im Planet-Wissen-Beitrag „
Helllichte Nacht – Lichtverschmutzung und die Folgen“ berichtet Prof Dr. Franz Hölker vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie von einer fachübergreifenden Langzeitstudie, laut der die Gegenden mit dem massivsten Verlust an Insekten in den letzten drei Jahrzehnten zum Großteil auch Orte mit einer besonders hohen Lichtbelastung waren. Das hat Folgen für andere Arten. Prof Hölker spricht hier vom „Staubsauger-Effekt“: Helle Straßenlaternen ziehen Insekten an. Dort warten einzeln Jäger wie Spinnen auf sie. Anderswo fehlen diese Insekten dann, etwa wo Vögel sie als ihre Beute erwarten würden. Andere Spezies bringt die strahlend helle nächtliche Beleuchtung in Städten aus ihrem natürlichen Rhythmus. Tagaktive Tiere kommen nicht zur Ruhe, nachtaktive Organismen entwickeln weniger Aktivitäten, insgesamt gerät das Ökosystem aus dem Gleichgewicht
Das Bundes-Umweltministerium hat die Lichtverschmutzung im Jahr 2022 als wichtiges Thema in sein
Insektenschutzgesetz aufgenommen. Es regelt zum Beispiel, dass helle Beleuchtungen in Naturschutzgebieten abgeschafft werden können. Ein Großteil des öffentlichen Lichts entsteht aber in Städten. Die sind hier ebenfalls gefragt, kämpfen aber beim Rückbau der Beleuchtung oft mit Ängsten ihrer Bürgerinnen und Bürger. In Stuttgart etwa bleibt die Straßenbeleuchtung an vielen Verbindungsstrecken zwischen den Stadtteilen seit Herbst 2024 ausgeschaltet. In der Folge meldeten sich zahlreiche Bürger zu Wort, da sie sich zu Fuß oder auf dem Rad entlang dieser Strecken nicht mehr wohl fühlten. Entlang einer Hauptradroute durch den Wald zwischen Stuttgart und Böblingen fanden die Verantwortlichen einen Kompromiss: Adaptive Beleuchtung folgt den Radlern: Sie schaltet sich ein, sobald sich jemand dem jeweiligen Segment nähert und geht wieder aus, sobald man vorbeigefahren ist.
Bodenständige Betrachtungen
Egal ob Städte, Ackerland, Straßen oder Industrie – in jedem Teil unserer Zivilisation steckt eine potenzielle Bedrohung für die Artenvielfalt. Doch wie gehen wir damit um, dass menschliches Verhalten Insekten und andere Arten bedroht? Die Zahlen und Fakten zum Rückgang der Arten legen nahe, dass die Menschheit sich einer ökologischen Notlage annähert oder schon darin steckt. Alle Gründe dafür enden an einer zentralen Frage: Was machen wir mit dem Grund, auf dem wir leben? Die Autorinnen Dr. Tanja Busse – in diesem Jahr Teil der Fachjury des NaturVision Filmfestivals! – und Christiane Grefe untersuchen dies in ihrem Buch
„Der Grund“. Sie beleuchten darin auf 240 Seiten den Wert des Bodens, seine Funktion als Lebensgrundlage sowie die unterschiedlichen Interessen, die ihn und seine Organismen gefährden.
Hörenswert ist dazu
der Podcast der beiden Autorinnen in der Reihe „Führerschein für Einkaufswagen“ mit Florian Schwinn. Sie betonen darin die Notwendigkeit, dass zum Recht auf Eigentum von Grund und Boden auch der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ gilt. Großgrundbesitzer müssen eben auch für eine Nutzung ihres Grunds zum Wohle der Allgemeinheit dienen.
Neben möglichen Erträgen und Gewinnen gehört dazu auch, dass eine Bewirtschaftung von Flächen dem ökologischen Gleichgewicht dient. Leider wird dies laut Christiane Grefe noch viel zu wenig durchgesetzt, obwohl das Grundrecht und die zugehörige Pflicht sogar die Möglichkeit eröffnen, Grundbesitz zu enteignen, falls Eigentümerinnen oder Eigentümer solche Pflichten verletzen. Allerdings gibt es bislang keine Gesetze nötig, die Pflichten und Sanktionen zu diesem Grundsatz rechtssicher definieren. Grefe sieht hier etwa Subventionen als möglichen Hebel – womit wir wieder bei der mehr oder weniger industriellen Landwirtschaft sind: Nicht die Bewirtschaftung des Bodens an sich ist gefährlich für das Ökosystem. Die extensive Ausbeutung der Flächen mit Monokulturen, Düngern und Pflanzenschutzmitteln ist schädlich für die gesamte Nahrungskette – vom kleinsten Insekt bis zu unseren Tellern.
Was können wir tun: weniger Fußabdruck im Boden, mehr Handabdruck im Grünen
Die Lösungen im Großen, etwa in der Landwirtschaft sind damit einigermaßen klar: Nachhaltig bewirtschaftete Böden, weniger Monokulturen und möglichst geschützte Naturräume schaffen Orte, an denen sich Insekten und andere Tiere frei entwickeln können. Weniger Mono, mehr Kultur, vielfältige Obstsorten und gemischte Bepflanzungen helfen dabei. Und es hilft natürlich, wenn jede und jeder Einzelne beim Einkauf auf Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft achtet.
In Städten wird’s schon schwieriger, aber nicht unmöglich, etwas zu bewegen. Warum etwa müssen Parks aus englischem Rasen bestehen? Der Rosensteinpark in Stuttgart zeigt, wie es auch anders gehen kann. Hier wachsen
in einer Kooperation der benachbarten Wilhelma und dem Naturschutzverband BUND seit Jahren überwiegend Blüh- und Futterwiesen, die im Frühjahr und Sommer kniehoch und höher stehen und eine beliebte Futterquelle für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten darstellen. Die Wiesen werden zwei Mal jährlich gemäht – aber nicht komplett. Die Parkpflege lässt Blühinseln stehen, wo Insekten weiterhin Futter finden, bis das Gräser und Blüten im übrigen Gebiet nachgewachsen sind.
Mitten in der Stadt muss es häufig noch handfester zur Sache gehen, um mehr Raum für Biodiversität zu schaffen. Jahrzehntelang galt die autogerechte Stadt als das Maß aller Dinge. Die Folge: Asphalt statt Wiese; mehr Fahrspuren, weniger Baumkronen. Mittlerweile ist die Erkenntnis gereift, dass dieser Weg in die Irre führt. Fast jede Stadt hat heute ein Konzept für mehr Grün, von Flächenentsiegelung über Fassadenbegrünungen bis zu Biotopen in der Innenstadt oder in Bürokomplexen. In Ludwigsburg etwa ist das Thema „Grün in der Stadt“ eines von 12 Handlungsfelder des
Stadtentwicklungskonzepts.
Dabei macht auch Industrie und Gewebe mit: Das Werks-Biotop der Firma
Hahn + Kolb (Stifter des Deutschen Filmpreise Biodiversität beim NaturVision Filmfestival) etwa bietet mit seinem Regenwasserbecken neben Insekten auch Lebensraum für Frösche, Lurche und anderen Amphibien. Daneben können Mitarbeiter im Sommer über Mittag in Liegestühlen chillen. Seit 2013 wurden rund um den Teich Wildenten, Reiher und andere Vogelarten gesichtet, die sich sonst eher selten in ein Gewerbegebiet verirren.
Andere Firmen ziehen nach. So hat die
Kreissparkasse Ludwigsburg einen vor außen kaum sichtbaren Firmengarten hinter ihrem Hauptsitz gestaltet, in dem sogar Bienen in mehreren Stöcken fleißig Honig für den Winter sparen – oder für die Kunden der Bank.
Auch die Landeshauptstadt hat ein eigenes Begrünungsprogramm.
Stuttgart fördert etwa private und öffentliche Maßnahmen zu Entsiegelung oder zur Fassaden- und Dachbegrünung für Privat-Haushalte ebenso wie für gewerbliche Flächen mit Zuschüssen.
Noch engagierter geht eine Initiative in Zürich vor. Die nennt sich „
Asphaltknackerinnen“ und geht ungeliebte Asphalt- und Betonflächen gleich mit dem Presslufthammer an. Hinter dem Projekt steckt eine Gesellschaft von sechs Frauen aus Journalismus, Wissenschaft, Planung und Kultur, die sich zusammen mit Landschaftsgärtnern und anderen Partnern der Asphalt-Beseitigung und Begrünung verschrieben haben. Allerdings stehen sie in der Regel nicht selbst mit dem Bohrhammer auf der Straße, sondern vermitteln vielmehr Wissen, Ideen und die richtigen Partnerschaften für solche Projekte. Und knacken dabei vermutlich nicht nur Bitumen und Zement, sondern vermutlich auch die Schranken im Gehirn mancher Verkehrsplaner.
Isabella Sedivy, eine der „Asphaltknackerinnen“ brachte im vergangenen Jahr ihren beeindruckenden Film
„Das Bienendilemma“ mit zum Festival nach Ludwigsburg.
Wo geht es in Film und Fernsehen um den Artenschutz?
Insekten eignen sich prima für eindrucksvolle Makro-Naturaufnahmen, und auch die Doku mit Maria Furtwängler auf den Spuren der Insekten ist sehenswert. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum das Thema sonst so wenig in den Medien stattfindet.
Die MaLisa Stiftung hat
eine Studie darüber durchgeführt, wie stark die Themen Klimawandel und Klimaschutz sowie Biodiversität und Artenschutz im Fernsehen präsent sind. Dafür wurden 20/7 alle Sender angeschaut und nach Programmen und Themen ausgewertet.
Krasses Ergebnis: Von allen erfassten Sendeminuten ginge in nur 1,8 Prozent der Zeit um Themen rund um den Klimawandel. Immerhin 3,2 Prozent der Zeit betraf das Thema innerhalb des Sendegenres Information und Dokumentation, in Filmen, Serien und Fernsehspielen ging es allerdings nur in 0,6 Prozent der Zeit ums Klima.
Der Artenschutz ist im Fernsehen noch knapper vertreten: Mit grade mal 0,2 Prozent der Sendezeit kann das Thema schon fast als ausgestorben gelten. Gut, dass die die Dokumentationen weiter oben gefunden haben.
> Mehr zur Studie erfahrt ihr auch im
Forum TALK mit Johanna Langhof von der MaLisa Stiftung.
Hier gibt’s also noch viel zu tun für klima- und biodiversitätsbewegte Filmemacher*innen.
hat mal Elektrotechnik studiert, arbeitet aber seit vielen Jahren als Journalist, Redakteur und Kommunikator. Seit einigen Jahren arbeitet er an der Mobilitätswende mit und schreibt vor allem über Themen mit klimapositiver Wirkung.